Mit der Nase schmecken

Wer kennt das nicht: Wenn man Schnupfen hat, schmeckt das Essen fade, der Appetit geht verloren und sogar die Lieblingsschokolade bringt nur mehr wenig Genuss und Freude. Denn zur Geschmackswahrnehmung trägt nicht nur die Zunge, sondern auch die Nase entscheidend bei.

Beim Wort “Schmecken” denken die meisten Menschen wohl vor allem an die Wahrnehmung eines Lebensmittels mit der Zunge im Mund. Auf der Zunge befinden sich tausende kleine Rezeptoren. Diese Geschmacksrezeptoren leiten Informationen über Nerven an das Gehirn weiter. Dort entscheiden wir dann, ob wir den Geschmack mögen, oder ob wir das Lebensmittel doch lieber wieder ausspucken.

Aber nicht nur die Zunge ist an der Geschmackswahrnehmung beteiligt. Wir schmecken mit all unseren Sinnen. Nicht umsonst sagt man: “Das Auge isst mit”. Farbe und Aussehen entscheiden mit darüber, wie ein Lebensmittel von unserem Gehirn eingestuft wird. Und auch unser Tastsinn spielt bei der Gescmackswahrnehmung mit – vom Tasten mit den Händen bei der Lebensmittelauswahl über die Temperatur im Mund bis zum Erfühlen der Textur mit der Zunge. Sogar das Hören ist am Geschmackserlebnis beteiligt: Es knackt beim Abbeißen einer frischen Karotte, knistert beim Kauen von knusprigen Chips und zischt beim Öffnen der Getränkedose.

Besonders entscheidend für die Geschmackswahrnehmung ist der Geruchssinn. Häufig wird behauptet, dass 75% - 95% von dem, was wir als Geschmack empfinden, tatsächlich aus der Stimulierung der olfaktorischen Rezeptoren in der Nase resultiert. Empirische Eveidenz hierfür wird selten zitiert. Die meisten Wissenschafter sind sich aber einig, dass der Geruch eine “dominante” Rolle beim Schmecken von Lebensmitteln spielt. Dabei nehmen wir die Aromen nicht nur beim Einatmen aus der Umgebungsluft wahr. Auch beim Kauen entstehen im Mund flüchtige Aromen, die zu den Rezeptoren der Riechschleimhaut im Nasenraum gelangen. Hier spricht man vom retronasalen Riechen.

Die Nase macht‘s möglich

Unsere Zunge kann “nur” die 5 Geschmacksrichtungen erschmecken: süß, sauer, bitter, salzig und umami. Unsere Nase hingegen kann die einzelnen Aromen differenzieren. Dank der etwa 400 verschiedenen Rezeptoren kann sie tausende Gerüche unterscheiden. Wenn wir z.B. eine Vanille-Himbeer-Torte essen, nimmt die Zunge wahr, dass die Torte süß ist. Die Riechrezeptoren leiten uns aber die Informationen weiter, dass sie nach Himbeere und Vanille schmeckt.

Wenn nun die Nase durch einen Schnupfen sozusagen ausgeschalten wird, nehmen wir lediglich die 5 Geschmacksrichtungen wahr. Daher haben wir oft keinen Appetit, wenn die Nase verstopft ist.

Wie wichtig die Nase für einen intensiven Geschmack ist, lässt sich ganz leicht in einem kleinen Sinnes-Experiment zu Hause testen: Mit geschlossenen Augen und fest zugehaltener Nase werden drei Faschingskrapfen mit unterschiedlicher Marmeladenfüllung getestet. Sie schmecken nicht nur nach beinahe nichts, sie können auch nicht unterschieden werden. Öffnet man die Nase während des Kauens, schmeckt man plötzlich die intensiven Aromen von Germteig, Fett und Marmelade.

Es schmeckt nicht immer gleich

Nicht nur das sensorische System, also Sinne, Rezeptoren und gustatorischer Gesamteindruck bestimmen das Geschmackserlebnis. Auch beispielsweise Kultur, Erziehung und Erfahrungen spielen eine Rolle. Neben Faktoren, die den Menschen betreffen, etwa die Anzahl der Geschmacksnerven und Erfahrungen, spielen Faktoren, die das Lebensmittel betreffen, etwa Farbe und Konsistenz, und auch Umgebungsfaktoren eine Rolle, z.B. wo oder mit wem wir essen.

Und Geschmack kann sich auch verändern. So ist zum Beispiel die Vorliebe für Süßes vor allem in frühen Jahres ausgeprägt. Wenn wir älter werden, nimmt unser Geschmacksempfinden ab. Und auch Rauchen wirkt sich negativ auf die Geschmackswahrnehmung aus, insbesondere auf den Bittergeschmack und auf das Riechvermögen. Die Dosis ist dabei entscheidend. Je mehr geraucht wird, desto schlechter ist das durchschnittliche Riechvermögen. Ehemalige RaucherInnen regenerieren im Laufe der Zeit wieder ihr Riechvermögen. Die Menge der zuvor gerauchten Zigaretten beeinflusst, wie lange die Regenerationszeit dauert.“ so Ernährungswissenschafterin und Sensorikexpertin Dr. Eva Derndorfer.