
Bedroht Lebensmittelwerbung in Sozialen Medien die Gesundheit Jugendlicher?
Heutzutage finden Jugendliche ihre Vorbilder zweifellos vorwiegend auf TikTok, Instagramm oder Co. Nicht nur in Punkto Musik oder Kleidung geben Influencer*innen den Ton an, auch der Einfluss auf die Ernährungsgewohnheiten ihrer Follower ist mittlerweile beachtlich und leider nicht selten bedenklich.
Die Reichweite von Social Media unter Jugendlichen ist enorm: Laut Jugend-Internet-Monitor 2024 nutzen 70 % der Jugendlichen in Österreich YouTube, 71 % der 11- bis 17-Jährigen sind auf Instagram aktiv und 65 % auf TikTok1. Dabei sind Soziale Medien nicht einfach eine Technologie, sondern ein Lebensraum. Das nutzen auch Lebensmittelunternehmen zur Bewerbung ihrer Produkte.
An der MedUni Wien wurde im Jahr 2022 untersucht, inwieweit Jugendliche Lebensmittelwerbung in Sozialen Medien ausgesetzt sind. Auf deutschsprachigen TikTok-, Instagram- und YouTube-Kanälen werden Jugendliche der Studie zufolge stündlich mit Werbung für 18 Lebensmittel konfrontiert. Bedenklich daran ist: 77 % der beworbenen Produkte haben einen hohen Salz-, Fett- oder Zuckergehalt und sollen nach WHO-Kriterien nicht an Kinder gerichtet beworben werden.4
Nutzer*innen werden selbst zu Werbeträgern
In einer australischen Studie wurden TikTok-Kanäle großer Lebensmittelunternehmen untersucht. Werbung in Social Media kann laut dieser Studie in drei Gruppen unterteilt werden: Werbung, die von Unternehmen direkt in ihrem Kanal gepostet wurde, sogenannte Challenges, das sind Aktionen, bei denen Nutzer*innen mitmachen und dabei selbst die Werbebotschaften verbreiten und Werbung über die Kanäle von Influencer*innen. Die untersuchten Videos wurden im Durchschnitt 65.000-mal angeschaut. Bestimmte Challenges generierten bis zu 108 Milliarden Zugriffe.2
Influencer-Werbung schwer zu erkennen
Studien belegen, dass Lebensmittelmittelwerbung, die an Kinder und Jugendliche gerichtet ist, die Marken- und Produktpräferenzen, sowie die Wünsche bzw. das Ernährungsverhalten beeinflusst. Die Ernährungsgewohnheiten können demnach durch z.B. Fernsehwerbungen positiv, aber auch negativ geprägt werden. Besonders schützenswert sind dabei kleinere Kinder, die Werbung oft nicht als solche erkennen3. Das Erkennen von Werbung ist im Zeitalter von Social Media aber auch für Jugendliche und sogar Erwachsene nicht einfach. Zwar müssen Influencer*innen Werbung kennzeichnen, wenn sie dafür Geld, kostenlose Testprodukte oder andere Gegenleistungen erhalten, ohne Gegenleistung, also wenn es sich beispielsweise um eine reine Gefälligkeit handelt, gilt hingegen keine Kennzeichnungspflicht. Und auch in Hinsicht auf Größe und Platzierung von Werbekennzeichnungen gibt es hierzulande keine eindeutigen Vorgaben. In Folge wird Werbung oft nicht sofort als solche erkannt bzw. unzureichend gekennzeichnet.
Influencer-Werbung und die EU Health Claim Verordnung
Erst kürzlich wurde eine bekannte Fitness-Marke wegen irreführenden Werbeversprechen auf der Plattform Instagram von einer Verbraucherorganisation angeklagt. Die Werbung bezog sich auf Gesundheitsversprechen durch deren Lebensmittelprodukte wie zum Beispiel: „knapp über 17 Kilo dann abgenommen auch mithilfe der Produkte“ oder „Und dann hab ich das angefangen zu nehmen und nach bestimmt drei, vier Monaten hatte ich dann auch das erste Mal meine Periode wieder, ja und jetzt dann bin ich dann irgendwann schwanger geworden“.6
Die europäische Health-Claims-Verordnung soll Verbraucher:innen vor falschen gesundheitsbezogenen Versprechen schützen. Lebensmittelhersteller dürfen nur mit Aussagen werben, die zuvor ein Zulassungsverfahren unter Beteiligung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erfolgreich durchlaufen haben und in einer EU-weiten Liste aufgeführt sind. Die Aussagen gelten für die aufgelisteten Nährstoffe, Substanzen oder Lebensmittel, welche auf der Liste stehen, jedoch nicht für das Produkt, welches dieses Element enthält, ohne den in der zugelassenen Aussage liegenden Zusammenhang mit der Substanz etc. herzustellen. Wirbt man, wie die erwähnte Fitness-Marke mit Gesundheitsversprechen, die den Anforderungen der Health-Claim-Verordnung nicht entsprechen so ist dies nicht zulässig.7
Verantwortung übernehmen
In Deutschland wird eine Regulierung derzeit heiß diskutiert. Die Forderungen reichen von absoluten Werbeverboten für Lebensmittel im Zeitraum von 06:00 Uhr bis 23:00 Uhr, über Einschränkungen für unter 14-Jährige bis hin zur verstärkten Förderung der Ernährungs- und Medienkompetenz.
Österreich setzt bisher vor allem auf Selbstregulierung. Es ist die Aufgabe des Österreichischen Werberats, Fehlentwicklungen bzw. Missbräuche in der Werbung zu korrigieren. Der Ethik-Kodex der österreichischen Werbewirtschaft enthält Verhaltensregeln für Werbetreibende. Auch die Verringerung von Werbung für fett-, salz-, und zuckerhaltige Lebensmittel an Kinder ist hier festgeschrieben. Vielen Expert*innen sind diese Maßnahmen nicht weitreichend genug. Die Nationale Ernährungskommission (NEK), in der auch der VEÖ vertreten ist, hat Empfehlungen mit klaren Nährstoffprofilen erarbeitet zur Lenkung von Lebensmittelwerbung an Kindern5 . Unumstritten ist: sowohl werbende Unternehmen, als auch Influencer:innen haben eine große Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen. Die Vulnerabilität dieser Gruppe ist bei Lebensmittelwerbung in Sozialen Medien besonders zu berücksichtigen.
Quellen:
1 Jugend Internet Monitor - saferinternet.at
2 Brooks R, Christidis R, Carah N, et al. Turning users into ‘unofficial brand ambassadors’: marketing of unhealthy food and non-alcoholic beverages on TikTok. BMJ Global Health 2022;7:e009112.
3 Dreyer, Stephan; Lampert, Claudia; Schulze, Anne: Kinder und Onlinewerbung. Erscheinungsformen von Werbung im Internet, ihre Wahrnehmung durch Kinder und ihre regulatorischer Kontext. Leipzig (Vistas), 2014. Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, Band 75. ISBN 978-3-89158-606-8.
4 Winzer E, Naderer B, Klein S, Lercher L, Wakolbinger M. Promotion of Food and Beverages by German-Speaking Influencers Popular with Adolescents on TikTok, YouTube and Instagram. Int J Environ Res Public Health. 2022 Sep 1;19(17):10911. doi: 10.3390/ijerph191710911. PMID: 36078625; PMCID: PMC9518047.
5 Empfehlung_der_Nationalen_Ernährungskommission_Österreichisches_Nährwertprofil_zur_Lenkung_von_Lebensmittelwerbung_
an_Kinder_in_Audiovisuellen_Medien.pdf